Die frühesten Einwohner der mit 25738 km2 größten und
vorwiegend gebirgigen Insel des Mittelmeeres sind die iberischen Sikaner
im Westen, die indoeuropäischen Sikuler im Osten, die aus Italien
eingewandert sind und der Insel den Namen gegeben haben, und die Elymer,
eine mediterrane Restbevölkerung im äußersten Westen um die Stadt
Segesta. - Die simitischen Phöniker entdecken im 1. Jt. v. Chr. für sich
die Insel mit den sehr fruchtbaren Küstenebenen und der für diese im
Mittelmeerraum dominierenden seefahrenden Händler ideale strategische
Lage und gründen im Westen Siziliens und auf den vorgelagerten Inseln
zahlreiche Handelsniederlassungen, von denen jedoch nach ständigen
Kriegen mit den nachfolgenden griechischen Einwanderern (bis zum Untergang
Karthagos im 3./2. Jh. v. Chr.) nur Panormos (Palermo), Motye (Mozia) und
Soloeis (Solunto) verbleiben. (Die Gebietsverteilung zwischen Phönikern
und Griechen zeigt sehr übersichtlich diese Geschichtsatlas-Karte.)
Seit der Mitte des 8. Jh. v. Chr. kolonisieren die Griechen sehr
erfolgreich vor allem das östliche und südliche Sizilien, und zwar
zuerst die (attisch-euböisch-kleinasiatischen) Ionier, dann vor allem die
(südpeloponnesischen) Dorer. Poetisch nennen sie die Insel Trinakria (die
"Dreieckige").
Die bedeutendsten Städte sind Syrakus, Akragas (Agrigent), Selinus
(Selinunt), Gela, Leontinoi, Himera und Messana. Sie nehmen einen
schnellen Aufschwung und stehen dem Mutterland an kultureller und
wirtschaftlicher Bedeutung nicht nach. Vor allem Syrakus kann sich sowohl
an Macht als auch an kulturellem Einfluß mit Athen messen.
Ein Versuch der Karthager, sich der griechischen Städte zu
bemächtigen, scheitert 480 v. Chr. durch den Sieg der Tyrannen Gelon von
Syrakus und Theron von Akragas in der Schlacht von Himera, welche fast
zeitgleich mit dem endgültigen Sieg Athens über die Perser bei Platäa
stattfindet und nun für über 300 Jahre die griechische Vorherrschaft im
Mittelmeerraum begründet. Gelon (und sein Nachfolger Hieron I.) von
Syrakus beherrschen nun ganz Ost-Sizilien, Syrakus unter Hieron I. sogar
bereits Teile Süditaliens. 461/60 versucht Duketios, die Streitigkeiten
der Griechen für die Gründung eines sikulischen Staates auszunutzen,
scheitert jedoch. Sizilien wird fortan ein herausragender Mittelpunkt der
griechischen Kultur und Wissenschaft. Archimedes, bedeutendster
Wissenschaftler der Antike, ist der berühmteste Sohn Syrakus', Aischylos
führte am Theater von Syrakus und Gela seine bis heute weltberühmten
Dramen ("Die Perser", "Sieben gegen Theben") auf,
Platon besuchte mehrfach Sizilien, pflegte gute Beziehungen zum
syrakusischen Hof und versuchte (vergeblich), seine politischen Theorien
zum idealen Staat (Hauptwerk: "Politeia") unter Dionysios II.
umzusetzen.
Auch auf Sizilien zerstört bald der Erzkonflikt zwischen Ioniern und
Dorern, der im Mutterland als Kampf zwischen den athenischen Demokraten
und spartanischen Oligarchen im vernichtenden Peloponnesischen Krieg
(431-404) mündet, den Frieden und ein langfristiges wirtschaftliches und
politisches Wohlergehen. Der Hilferuf Segestas an Athen gegen die
Bedrohung durch die spartafreundlichen Tyrannen von Syrakus und Akrigas
führt zum Wiederaufleben des Peloponnesischen Krieges und zu einer
vernichtenden Niederlage Athens (und des Attischen Seebundes) erst auf
Sizilien (415-413), dann im Mutterland (bis 404). 7000 athenische
Überlebende gehen als Sklaven in syrakusischen Steinbrüchen zu Grunde.
Die Karthager nutzen die Schwächung der Griechen aus und unternehmen
von 409-405 einen weiteren großen Krieg, der mehr oder weniger erfolglos
bleibt, aber Syrakus mit seinem unbesiegbaren Kriegsheer zur griechischen
Alleinherrscherin auf Sizilien erhebt. Die weitere Geschichte von Sizilien
ist nun praktisch die von Syrakus. Der bedeutendste Herrscher des antiken
Siziliens, Tyrann Dionysios I. von Syrakus (405-367), versucht in mehreren
Kriegen, die Karthager von Sizilien zu vertreiben, was allerdings nicht
vollständig gelingt. Aber er schafft ein mächtiges Reich mit großem
Territorium beiderseits der Straße von Messina; die Stadt Syrakus hat nun
eine Stadtmauern von 33 km Länge und eine halbe Million Einwohner.
Eine erneute Bedrohung durch die Karthager kann das von Exil-Syrakusern
gegen den grausamen Dionysios II. (344 gestürzt und verbannt) zu Hilfe
gerufene korinthische Heer unter Timoleon 339 abwehren. Es folgen weitere
Auseinandersetzungen mit den Phönikern unter dem Tyrannen Agathokles
(311-306) und dem kurzzeitig (278-276) Sizilien beherrschenden
thessalischen Eroberer und Militärgenie König Pyrrhos.
Im 1. Punischen Krieg (264-241) zwischen Rom und Karthago erobern die
Römer ganz Sizilien bis auf das verbündete Syrakus. Als sich im 2.
Punischen Krieg Syrakus plötzlich gegen Rom stellt, wird es nach
2jähriger Belagerung 212 erobert (Tod des Archimedes) und ganz Sizilien
römisches Proprätorat. Rom macht die Insel zur Kornkammer Italiens, doch
führt die zunehmend schlechtere wirtschaftliche Lage auf der Insel,
bedingt durch die einseitige Ausbeutung durch riesige, von Sklavenmassen
bewirtschaftete monokulturelle Latifundien, zu den großen Sklavenkriegen
136-132 und 104-99. Cicero ist hier 75 v. Chr. Quästor; Sextus Pompeius
macht Sizilien von 43-36 zu einem Zentrum des Widerstandes gegen Cäsars
Erben.
440 n. Chr. erscheinen die Vandalen auf Sizilien, 453 die Ostgoten. 535
durch Kaiser Justinians legendären Feldherren Belisar byzantinisch
geworden, wird Sizilien 827 von den Sarazenen erobert, denen 1061 die
Normannen folgen und 1130 Sizilien mit Süditalien zum mittelalterlichen
Königreich Sizilien und Neapel vereinigen.
Im Jahre 1194 erobert der staufische Kaiser Heinrich VI. (in
Durchsetzung seiner Erbechte aus seiner Ehe mit Konstanze, Tante des schon
1189 sohnlos verstorbenen normannisch-sizilianischen Königs Wilhelms II.)
das sizilianisch-neapolitanische Reich und läßt sich im Dom von Palermo
zum König von Sizilien krönen. Es folgt eine skrupellose Fremdherrschaft
deutscher Ritter und Amtsträger; eine Rebellion des eingeborenen Adels,
in welche vermutlich sogar seine zur Regentin bestimmte sizilianische
Gattin verwickelt ist, wird vom grausamen König (er läßt seinem
vorgesehenen "Nachfolger" in Konstanzens Gegenwart eine
glühende Krone aufs Haupt nageln) blutig beendet.
Als Heinrich VI. 1197 in Messina stirbt, läßt Konstanze ihren 4jährigen
Sohn Friedrich 1198 in Palermo zum König von Sizilien krönen und stirbt
kurz darauf. Friedrich wächst unter schwacher Obhut päpstlicher
Vormundschaft als machtloser, junger König in Palermo auf. Dies ändert
sich rasch, als sich der Papst zu einer Restauration des
staufisch-römischen Königtums entschließt und 1211 den 17jährigen
Friedrich II. (schon als 3jähriger rechtmäßig zum deutschen König
gewählt, aber durch den frühen Tod des Vaters Heinrich VI. nie gekrönt)
zum Gegenkönig zum herrschenden Welfenkaiser Otto IV. macht; 1212
verläßt Friedrich erstmals Sizilien, tritt unter vielen Kämpfen in
Deutschland sein römisches Königsamt an und kehrt - nun als mächtiger
römischer Kaiser - 8 Jahre später nach Sizilien zurück. In wenigen
Jahren wird die königliche Macht komplett restauriert und Sizilien-Neapel
der modernste Staat Europas und uneingeschränkte Hausmacht Friedrichs.
Nach dem Tode Friedrichs II. (1250) kann sein Sohn Konrad IV. noch für
4 Jahre die staufische Herrschaft in Sizilien sichern, stirbt jedoch mit
26 Jahren am Fieber. Symbolträchtig verbrennt sein Leichnam bei der
Aufbahrung im Dom zu Messina zusammen mit dem ganzen Gotteshaus durch
Blitzschlag. Sein halbwüchsiger Sohn Konradin macht sich mit einem
kleinen Heer auf den Weg nach Sizilien, um sein Erbe zu sichern, wird aber
vom (durch den stauferfeindlichen Papst 1266 zum König von Sizilien und
Neapel gekrönten) Bruder des französischen Königs, dem grausamen Karl
von Anjou, gestellt und in Neapel 1268 hingerichtet.
Schon 14 Jahre später entledigen sich die Sizilianer der
Schreckensherrschaft der Anjou, die die Hauptstadt von Palermo nach Neapel
verlegt haben, durch einen Volksaufstand ("Sizilianische
Vesper"), in welchem alle Franzosen auf der Insel getötet
werden.
In der Folgezeit kommt das Königreich Sizilien und Neapel unter die
Herrschaft der spanischen Vizekönige aus dem Hause Aragon und ab 1735
unter die Bourbonen, bis es 1860 von Garibaldi und seiner "Schar der
Tausend (Alpenjäger)" befreit und 1861 mit dem neuerschaffenen
Königreich Italien vereint wird.
Glücklichgeworden ist Sizilien aber anscheinend auch mit Italien
nicht. Bis heute behält es seine (relative) Autonomie - und seine Armut,
was beides erklärt, warum der sizilianische "Staat im Staate",
die Cosa Nostra (bekannt als Mafia) als kriminelles Machtinstrument der
Mittelschicht aus Feudalzeiten heute immer noch mächtiger ist als jeder
Politiker und jede Behörde.