Große und kleine Verbrecher garantieren Commissario Montalbano ein
abwechslungsreiches Leben, denn seine Ermittlungen führen ihn nicht nur
in jede Ecke seiner sizilianischen Heimat, sondern auch nach Rom, Genua
und New York. Er trifft alte Freunde, macht neue Bekanntschaften und
sammelt Erfahrungen fürs Leben, zum Beispiel, dass längst nicht alles,
was nach Müll aussieht, auch Müll ist, oder wie gefährlich der Gebrauch
eines Handys sein kann...
Mit Die Nacht des einsamen Träumers liegt der siebte Band der
Krimireihe um den italienischen Commissario Montalbano vor -- kein Roman
dieses Mal, sondern zwanzig Erzählungen, die die ganze Bandbreite des
schriftstellerischen Könnens von Andrea Camilleri zeigen.
Die Ausgangssituation der einzelnen Fälle wiederholt sich mit
selbstironischer Regelmäßigkeit: Montalbano wird von seinem trotteligen
Kollegen Catarella frühmorgens aus dem Bett geklingelt ("Sind Sie
das ganz persönlich selber, Dottori?") und an den Schauplatz eines
Verbrechens gerufen. Dabei kann es sich um einen brutalen Mord handeln
oder um den Diebstahl einer Schachtel Kronkorken -- die Bandbreite ist
groß. Montalbano schaut sich den Tatort an und zieht sich dann
nachdenklich in sein Büro zurück. Oder auf die Veranda seines
Häuschens, mit Blick auf das Meer.
Und dann wird es richtig spannend: Wie ein Chamäleon passt der
Commissario seine Herangehensweise dem jeweiligen Fall an, und diese
Fälle haben es in sich: Wer hatte ein Motiv, die alternde Prostituierte
Maria aus dem Weg zu räumen? Wie kommt der Zettel mit dem Hilferuf in den
Wasserkrug des Bauern? Warum wird Montalbano von seinem alten Freund
Preside Burgio (aus Der Hund aus Terracotta) plötzlich zum Essen
eingeladen, nachdem sie sich so lange nicht gesehen haben? Wo hat sich die
junge Frau in der Zeit nach ihrem Verschwinden und vor ihrem gewaltsamen
Tod aufgehalten? Eigentlich hatte man auf eine Erklärung der
Chamäleon-Taktik gewartet, stattdessen kommt eine Reihe Fragen -- ist das
Absicht?
Bei aller Lust am Kriminalfall und dessen Lösung verliert Andrea
Camilleri jedoch eins nie aus dem Blick: Eine kurze, pointierte Erzählung
überzeugt die Leser nur, wenn es gelingt, die Figuren auf wenigen Seiten
lebendig werden zu lassen -- und darin ist der sizilianische Autor ein
Meister! Nicht nur die Protagonisten der bisherigen Montalban-Romane
rücken ins Rampenlicht, auch Täter, Opfer und Zufallsbekanntschaften
sind erstaunlich präsent. Und wenn Commissario einmal alles zu viel wird,
ruft er einfach seinen Schöpfer an und erklärt ihm, er solle von dieser
Geschichte doch bitte die Finger und ihn in Ruhe lassen. Er müsse jetzt
essen gehen. Während seine Fans auf sein nächstes Abenteuer hoffen.
6 Die Nacht des einsamen Träumers (Kurzkrimis, 2002, übersetzt von
Christiane von Bechtolsheim, orig.: Gli arancini di Montalbano,
1999), ISBN 3785715293
Gli arancini di
Montalbano, Mondadori "Scrittori italiani e
stranieri"
ISBN 880448683X 1999