Commissario Montalbano hat es wirklich nicht leicht, denn trotz
Fieberschüben und Gebirgskoller ist sein Einfallsreichtum überaus
gefragt. Doch zum Glück gibt es immer ein paar Dinge, die seine gute
Laune am Leben erhalten: das Meer vor seiner Haustür in Marinella, die
Köstlichkeiten in der Trattoria San Calogero und - die Frauen. Was wäre
die Welt ohne das schöne Geschlecht, dem sowohl Montalbano als auch der
Sizilianer im Allgemeinen und überhaupt alle Männer irgendwie verbunden
sind: intelligente Frauen, schöne Frauen - aber vor allem gefährliche
Frauen, die auf Rache sinnen? Und Frauen rächen sich nicht irgendwie,
sondern auf raffinierte Weise, giftig, mit spitzer Zunge und anderen -
garantiert tödlichen - Waffen.
Andrea Camilleri ist nicht nur ein ausgesprochen unterhaltsamer und
scharfsinniger Autor, er ist auch über die Maßen verlässlich: Neben
einem Bändchen mit Erzählungen um einen neuen Protagonisten (Commissario
Collura) beschert er uns auch einen neuen Montalbano. Drei längere und
drei kürzere Erzählungen sind in diesem neunten Band der Serie
enthalten, und jede einzelne ist ein Juwel: Die nächtlichen
Telefongespräche des Commissario mit seiner Freundin Livia enden immer
wieder damit, dass einer von beiden wütend den Hörer auf die Gabel
knallt, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist von
Missverständnissen geprägt. In Die Rache des schönen Geschlechts
bekommt es Montalbano allerdings mit der geballten Wucht zornentbrannter
Weiblichkeit zu tun. Dabei leidet er gleichermaßen unter den Launen
seiner Haushälterin ("Fieber") und seiner Herzensdame
("Montalbano hat Angst"), muss in Fällen von weiblicher
Mordlust an der Verwandtschaft ("Tödlich verwundet") und dem
Ehegatten ("Die Dinge im Dunkeln lassen") ermitteln, und fühlt
sich gar sehr zu einer einsamen Mutter hingezogen, die um der
Gerechtigkeit willen sogar das Leben ihres Kindes aufs Spiel setzt
("Das vierte Geheimnis").
Die Bandbreite der Geschichten reicht von komisch und verspielt bis zu
tragisch und grausam. Stets aufs Neue stellt sich Montalbano selbst in
Frage, aber das ändert nichts an seinen eigenwilligen Ermittlungsmethoden
oder am rauen Umgangston zwischen ihm und seinen Kollegen. Es ist immer
wieder eine Erleichterung, wenn sich Montalbano dann an den mit
sizilianischen Spezialitäten wohl gedeckten Tisch setzt, denn die Leser
haben eine Atempause oft ebenso nötig wie er, auch sie wissen: Auf den
nächsten Seiten lauern weitere Verbrechen aus Leidenschaft, die
Montalbano um jeden Preis aufzuklären gewillt ist.
9 Die Rache des schönen Geschlechts (Kurzkrimis, 2003, übersetzt
von Christiane von Bechtolsheim, orig.: La paura di Montalbano,
2002), ISBN 3-404-92171-2
La paura di
Montalbano, Mondadori "Scrittori italiani e
stranieri"
ISBN
8804523891 2002